In diesem Denk(A)nstoß wollen wir uns über „Heiligung“ Gedanken machen.
Dieses Wort ist in vielen frommen Kreisen zu einer moralischen Disziplinierungskeule ersten Ranges geworden und löst tiefe Ängste aus, da niemand weiß wann er genug geheiligt ist um es über die rettende Erlösungsziellinie
zu schaffen.

Alles entscheidet sich an der Frage:
Verstehe ich Erlösung als einen Würdigkeitswettlauf, den der Disziplinierteste und Willensstärkste gewinnt unter Zuhilfenahme von „Etwas Gnade“ denn zu viel Gnade
wird in den frommen Kreisen als „Billige Gnade“ abgetan.

Oder verstehe ich Erlösung als ein Geschenk Gottes, das mir völlig unverdient geschenkt und offenbart wird und das mich in einem Moment für immer zum Kind Gottes macht und darin befestigt (versiegelt) und ich nun in meinem Leben lerne
aus Gnade in Stärke und Schwäche zu leben, zu begreifen :

Ich bin Gold und Asche . . . solange ich lebe!
Oder wie es Luther sagte: „simul iustus et peccator“ Wir sind Sünder & Heilige!

Lesen wir eine Begebenheit von der „Wüstenvätern“ einer Einsiedlerbewegung ab dem 4.Jhd. n.Chr. in der Nitrischen Wüste, die wie keine Bewegung nach ihnen die
Allumfassende Gnade Gottes verstanden hatten und ihren Jüngern lehrten:

Als ein junger Bruder zum Altvater Sisoses kommt und klagt: „Was soll ich tun, Vater, weil ich gefallen bin?“ sagt der Altvater zu ihm: „‚Steh wieder auf!‘ Der Bruder sagte darauf: ‚Ich bin aufgestanden, aber wieder gefallen.‘ Und der Altvater sagte darauf: ‚Dann stehe wieder und wieder auf!‘ Der Bruder fragte: ‚Wie lange?‘ Der Greis antwortete: ‚Bis du aufgenommen bist, entweder im Guten oder im Falle. Den in dem, worin der Mensch sich befindet, geht er hinüber‘“

Die Wüstenväter glauben an das unverlierbar Göttliche  im Menschen und vertrauen auf  die Wirkmacht des Hl. Geistes. Sie vertrauen darauf, dass Gott auch durch die Sünde hindurch den Menschen für sich aufbrechen kann.

„Dieses grundlegend positive Bild des Menschen, der den Geist Gottes nicht verlieren kann und der das Bild Gottes in sich nicht löschen kann, was immer er auch tut, bildet die  Grundlage für die Art und Weise der geistlichen Führung im alten Mönchtum.“ Wie bereits im Kapitel 3.1 erwähnt, haben einige der Alten die Barmherzigkeit und Güte Gottes selber in ihrem eigenen Leben erfahren dürfen. Das Wissen um das  Gnadenwirken Gottes gehört zu ihrem Erfahrungswissen. Sie klammern die Schwäche im Menschen nicht aus, sondern rechnen damit, dass jeder, der sich auf den Weg macht, um Christus zu begegnen, auch auf Hindernisse stoßen wird.  

Es ist das Geheimnis aus Matth.13.24-30 vom Unkraut und Weizen das nebeneinander wachsen soll bis zur Ernte. Hier geht es nicht um die Guten und Bösen, sondern um unser Innenleben als Christen.

Es erfordert sehr viel Geduld und Barmherzigkeit, Liebe und Gnade sich als GOLD und ASCHE zu akzeptieren, als der Illusion moralische Vollkommenheit nachzujagen, die uns blind und oft Selbstgerecht macht gegenüber unseren eigenen Schattenseiten.

Wenn wir moralische Vollkommenheit benötigen um uns selbst anzunehmen, ergeben sich 2 Wege:

Wir können und werden unsere Asche (Unkraut) verleugnen oder verniedlichen
und landen in Selbstgerechtigkeit . . . oder wir geben entmutigt auf, weiter zu glauben, weil wir den Würdigkeitswettlauf um Heiligung nicht gewinnen.

Halten wir aber die Spannung aus: Das Gold und Asche in uns sind, das wir Heilige und Sünder sind, dann vertrauen wir der Erlösung, die das gute Werk in uns angefangen hat … es fortführt … und vollendet (Phil.1.6). Wir vertrauen der Gnade die uns7x70mal immer wieder einlädt zu kommen wo wir gefallen sind, ohne dass wir diese Gnade als „Billig“ bezeichnen, denn das tun Jene die ihre Gnade lieber selbst bezahlen (Selbsterlösung).

Es erfordert ein starkes Maß an Demut die Asche in uns zu akzeptieren , aber genauso viel Mut zu glauben das wir Gold sind und angenommen sind.

Wenn wir in dieser Spannung glaubend leben werden wir selber Barmherzig und begreifen was Jesus meinte als er sprach:

Lukas 6.36ff
Seid Barmherzig, wie auch Euer Vater im Himmel (mit DIR)
Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden!
Verurteilt niemand, dann werdet auch ihr nicht verurteilt!
Sprecht frei, dann werdet auch ihr freigesprochen werden!
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Uwe Dahlke | Inspiriert durch Gedanken von Richard Rohr & den Wüstenvätern***
***Die Wüstenväter/Mütter : In dieser selbst gewählten Einsamkeit der Wüste  reiften diese Männer und Frauen zu geistlichen Vätern und Müttern. In dem Maße, indem sie der eigenen Seele auf den Grund gekommen waren, konnten sie zu Seelsorgern für andere werden. Ihre Seelsorge bestand in knappen Anweisungen und einzelnen, verdichteten Worten, den sog. „Apophtegmata Patrum“. Ähnlich wie die Seelsorge von Jesus häufig in wenigen prägnanten Worten geschah, verzichteten auch jene frühen Mönche auf lange Dialoge und Erklärungen. Vielmehr sprachen sie wenige, auf die Person des Ratsuchenden zugeschnittene Worte